Eine Woche All-inclusive-Urlaub in Hurghada - zulässig oder absurd?

Wie viele andere Familien nutzen auch wir die Hauptsaison, wo die Preise leider um 50 % teurer sind als sonst, um unseren gemeinsamen Jahresurlaub zu verbringen und gleichzeitig die Kinderbetreuung für zumindest 2 Wochen der 9-wöchigen Ferienzeit sicherzustellen. Und so ist es dann passiert, dass wir heuer auch in einem All-inclusive-Resort in Hurghada

(Ägypten) gelandet sind.

 

Ich war mit meiner Familie in einem riesigen Resort, mit mehreren Pools, abenteuerlichen Wasserrutschen, grünen Wiesen und Gärten, obwohl bereits hinter dem meterhohen Abgrenzungszaun die staubtrockene Wüste begann.

 

Ich habe 3-mal täglich mehr gegessen, als ich sonst über das gesamte restliche Jahr normalerweise pro Mahlzeit zu mir nehme und trotzdem nur einen Bruchteil des Angebotes geschafft.

 

Wir hatten die Möglichkeit, rund um die Uhr zu essen, zu trinken, uns animieren zu lassen und waren dabei in bester internationaler Gesellschaft.

 

Ich habe mit meiner Familie dem Klima geschadet, unnötiges CO2 durch den Flug in die Atmosphäre geblasen und die Klimakrise damit ebenfalls befeuert.

 

Es liest sich wie eine kleine Anklageschrift und fordert in Zeiten, in denen das Wort “Klimakrise” omnipräsent ist, zu der berechtigten Frage: “Ist dieses Verhalten im Jahr 2023 vertretbar oder einfach absurd?”


Bevor ich versuche, Antworten auf dieses Dilemma zu finden, sollten ein paar Fakten zumindest ein bisschen Objektivität in die Betrachtung bringen:

 

Jährlich besuchen mehr als 10 Millionen Touristen Ägypten und schaffen damit rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze. Auch wenn diese eher schlecht bezahlt sind - das Problem gibt es ja nicht nur in Ägypten - entspricht das ca. 10 % der gesamten Arbeitsplätze.

Österreich, ein im Vergleich dazu sehr kleines Land, zählt pro Jahr ungefähr 40 Millionen Touristen, wovon circa 70 Prozent aus dem Ausland kommen.

Pro Jahr werden aktuell weltweit mehr als 1 Milliarde Auslandsreisen verbucht und verursachen dadurch ungefähr 12 Prozent der globalen CO2-Emissionen.

Im Vergleich zur Industrie und dem Energiesektor, die mit satten 50 bis 60 Prozent zu Buche schlagen, ein relativ geringer Beitrag zur CO2-Gesamtbelastung.

 

Machen diese Fakten die Betrachtung jetzt wirklich einfacher?

Leider nein, aber sie helfen uns vielleicht, die scheinbar simple Frage etwas mehr zu differenzieren.

 

Ägypten ist ein sehr armes Land und der Tourismus neben dem Export von Erdgas, Erdöl und Erdölprodukten eine der Haupteinnahmequellen für die Bevölkerung. Wäre es sinnvoll, für ein ohnehin sehr armes Land, auf Tourismus zu verzichten? Dass es für die Schonung des Klimas wünschenswert wäre, liegt auf der Hand, aber komplexe Themen lassen sich in der Realität eher selten mit einfachen Aussagen beantworten.

 

Auch in Österreich bummeln jedes Jahr gut 40 Millionen Touristen durchs Land und tragen damit nicht unwesentlich zu unserem Bruttoinlandsprodukt bei. Sollen wir in Anbetracht der Dringlichkeit, was den Klimaschutz betrifft, daher einfach auf Tourismus verzichten? Auf die Einnahmen, auf die Arbeitsplätze, auf die Werbewirkung? Sollen wir mit gutem Beispiel vorangehen und ohne genauere Betrachtung, was den Klimaschutz wirklich voranbringen würde, ohne Wenn und Aber einfach alles klimaschädliche abrupt stoppen? Wohl kaum!

Selbst wenn wir wollen, könnten wir abrupt nur sehr wenig stoppen und das würde für die notwendige Veränderung zur Erreichung unserer Klimaziele bei weitem nicht ausreichen.

 

Hmm, das liest sich jetzt fast wie die eigene Absolution zu den eingangs genannten Äußerungen … ist es aber nicht … Es ist keine Frage der Absolution, denn jeder von uns weiß, dass Flugreisen nicht klimafreundlich sind. Dennoch ist es, wie bei fast allen Themen, eine Frage der Verhältnismäßigkeit

Fliege ich alle paar Wochen für einen Kurztrip quer durch die Welt oder gönne ich mir einmal im Jahr eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug.

 

Ist es somit völlig ok, zulässig und nicht weiter dramatisch? Nein, ist es nicht und gleichzeitig muss man wohl oder übel einsehen, dass jeder einzelne von uns gewisse Sachen nur bedingt ändern kann. Man kann den Teufel an die Wand malen, fanatischer Klimaschützer werden und muss schlussendlich trotzdem damit leben, dass die großen Probleme und erst recht die globale Klimakrise von jedem Einzelnen nur sehr bedingt verbessert werden können. Es ist leider nur wie ein Tropfen Wasser auf einem heißen Stein … Selbst wenn es uns gelingen würde, dass jeder der 1 Milliarden Menschen auf seine Auslandsreise verzichten würde, hätten wir nur 12 Prozent CO2 eingespart …

 

Um die Klimaerwärmung spürbar zu stoppen bzw. einzubremsen, brauchen wir die sogenannten systemischen Veränderungen, die mittlerweile vielen von uns bekannt sind, bereits über viele Jahre von der Politik diskutiert werden und trotz der Dringlichkeit nur sehr schleppend umgesetzt werden. Mehr Öffis zu verwenden ist eine tolle Idee, aber auch im Jahr 2023 leider nur bedingt realisierbar. Städter können hier bereits ihren Beitrag leisten, während die ländliche Bevölkerung ohne Individualverkehr nach wie vor aufgeschmissen ist.

 

Und was ist jetzt das große Fazit der eingangs gestellten Frage? Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es noch sehr viel zu tun gibt und die Zeit drängt. Dennoch sollten wir bei all den negativen Nachrichten auch das Positive sehen und die Hoffnung nicht verlieren, dass wir das trotz der vielen Hürden irgendwie schaffen werden. Außerdem appelliere ich an alle, so viel wie möglich in seinem eigenen Wirkungskreis zum Klimaschutz beizutragen und somit seinen ganz individuellen solidarischen Beitrag zu leisten, während die ganz großen Themen hoffentlich schneller als wir alle denken, weltweit in Angriff genommen werden. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Betty (Mittwoch, 06 September 2023 17:00)

    Ich denke, es ist wichtig, die Dinge bewusst zu tun, auch einen Urlaub bewusst zu erleben und dann auch bewusst zu genießen.