Social Media - ich kanns nicht lassen

Seit Tagen quält mich eine Rachenentzündung und ich hüte das Bett. Aus reiner Neugierde mache ich einen Corona-Schnelltest und kann meinen Augen nicht glauben - nach über drei Jahren im Außendienst und drei Impfungen bin ich jetzt, wo angeblich alles wieder mehr oder weniger vorbei ist, “positiv”. Zum Glück sind die Symptome nicht schlimmer als bei meinen sonstigen jährlichen Rachenentzündungen, aber nervig ist es allemal. So bin ich nun in der selbst verordneten Zuhause-Quarantäne und kann nur meine Kommunikationskanäle des Smartphones nutzen. Doch noch bevor ich zum Handy greifen kann, spricht meine innere Stimme zu mir.

 

“Willst du jetzt jemanden anrufen? Überlege dir das gut, denn dein Hals tut dir ohnehin schon weh. Vielleicht solltest du einfach so wie jeden anderen Tag auch jemandem eine Nachricht über WhatsApp, Twitter, Instagram, Telegram oder Snapchat schicken. Aber was willst du heute posten? Das positive Testergebnis? Du hast so viele Möglichkeiten und trotzdem fällt dir die Kommunikation heute so schwer. Warum? Was ist heute anders als sonst? OK, “Corona positiv" ist jetzt nicht unbedingt das, was die Leute anspricht, obwohl in der Welt der Medien “Bad News” eigentlich “Good News” sind, aber im Privatbereich sind solche News eher unusual. Und Mitleid willst du mit dem heutigen Post eigentlich auch nicht erhaschen. Wir wissen doch alle, wofür Social Media da ist - wir zeigen der ganzen Online-Welt, wie gut wir sind, egal ob wir unsere Follower kennen oder nicht. Du bist hier leider auch keine Ausnahme - wir alle haben mittlerweile den Drang der Community zu zeigen, was für ein tolles Leben wir führen. Ein geiles Urlaubsfoto, das Video vom letzten Ausflug mit den Kids oder das 6-Gänge-Gala-Menü mit deiner Frau, das wäre doch einen Post wert …“

 

“Liebe innere Stimme, danke für deinen tollen Beitrag. Aber solltest du mich in meiner misslichen Situation nicht versuchen aufzumuntern?

 

“Sorry, aber das ist momentan eher schwierig. Du glaubst wieder einmal, dass du der einzige Mensch auf der Welt bist, dem es schlecht geht. Du musst dich jetzt echt schon langsam wieder zusammenreißen und das Jammertal verlassen. Versuch, abgesehen von den lästigen Corona-Wehwehchen, den Tag wieder positiv zu sehen!”

 

“Als ob das so einfach ist. Besserwisser! Wenn du immer so schlau bist, dann weißt du sicher auch, was ich heute posten soll?”

 

“Fake it, until you make it! Mach doch einfach ein Foto vom Garten und als Text fügst du - der Frühling kann kommen - dazu. Damit sind dir einige Likes sicher."

 

“Danke! Endlich mal was Konstruktives von dir … Du bist ein Schatz und hast meinen “beschissenen” Tag gerettet!

 


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