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Am 10. Dezember 1948 wurde im Palais de Chaillot in Paris von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet.

 

Der Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Solidarität) der Menschenrechte lautet wie folgt:

 

“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.”

 

Diese Erklärung war nach den Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges eine Vereinbarung der Hoffnung und gleichzeitig ein Auftrag, Menschenrechte zu verwirklichen und zu schützen, damit zukünftig solche schrecklichen Taten nie wieder passieren.

Nur 77 Jahre nach dem Ende des größten und verlustreichsten Konfliktes der Menschheitsgeschichte, beginnt ein machthungriger Diktator ohne triftige Gründe einen neuen Krieg. Am 24. Februar 2022 befahl Präsident Wladimir Putin einen groß angelegten Überfall auf die Ukraine. Mittlerweile sind mehr als 5 Millionen Menschen auf der Flucht und über 20.000 Landsleute sind gestorben.  

 

Ein weiterer sinnloser Krieg, der vor den Türen Europas und damit in der Nähe unserer Grenzen tobt. Diese Kampfhandlungen sind für somit greifbarer, spürbarer und wir denken, dass uns dieser Krisenherd “härter” trifft als alle anderen dieser Welt. Wir nehmen die ersten negativen Veränderungen, die hauptsächlich unseren Konsum betreffen, war und jammern über einen erhöhten Treibstoffpreis von 50 Cent je Liter … Doch das Traurige an dieser eingeschränkten Sichtweise ist, dass es auf unserer Erde nach dem zweiten Weltkrieg nicht 77 Jahre Frieden gab, sondern genügend andere Kriege, mit viel zu vielen toten, vertriebenen, gefolterten und leidgeprüften Menschen. 

 

Einige Beispiele aktueller Krisenherde sollen uns vor Augen führen, wie viele Menschen auch im Jahr 2022 weder frei noch gleich an Würde sind:

 

Jemen 

Nach fast sechs Jahren bitterem Bürgerkrieg leiden viele Familien unter extremer Armut und Hunger, weshalb mittlerweile rund 2 Millionen Kinder mangelernährt sind. 

 

Mosambik 

In der nördlichen Provinz Cabo Delgado eskalierte 2020 ein Konflikt, welcher durch islamistischer Extremisten ausgelöst wurde und mehr als 530.000 Menschen zur Flucht zwang. Die Hälfte davon sind Kinder, viele von ihnen Vollwaise, weil ihre Eltern ohne Skrupel brutal ermordet wurden. Die Rohstoffgier ausländischer Firmen, das Versagen der Regierung, gepaart mit der bitteren Armut der Bevölkerung führten schlussendlich zur Eskalation dieses Konfliktes.

 

Syrien 

Seit zehn Jahren tobt der Krieg in Syrien - Bombenangriffe, Ausharren im Flüchtlingslager und der Verlust von Familienmitgliedern sind die traurige Normalität. Das Gefühl von Sicherheit und Frieden ist längst vergessen und viele Kinder müssen, ohne diese Empfindung jemals gekannt zu haben, aufwachsen. Mehr als 5,6 Millionen Menschen, darunter 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche, haben ihr Heimatland verlassen müssen und leben nun in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Türkei oder Ägypten. 

 

Afghanistan 

Trotz Verhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban ist kein Frieden im krisengeschüttelten Afghanistan in Sicht. Seit zwei Jahrzehnten regiert in diesem Land die Gewalt, welche in vielen Bereichen tiefe Spuren hinterlassen hat. Mehr als zehn Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen, Mädchen werden ausgebeutet und sexuell missbraucht, die Armut steigt und führt zu einer teilweise lebensbedrohlichen Mangelernährung von fast einer Million Kindern. 

 

Die Liste aktueller Krisenherde könnte leider noch lange fortgeführt werden, aber um den Inhalt dieses Textes nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen, erwähne ich zur Veranschaulichung der Menge nur mehr einige andere Länder: Griechenland (Flüchtlingslager Moria, Kara Tepe), Südsudan, Demokratische Republik Kongo, Niger, Burkina Faso, Mali, Venezuela, Vietnam, Mexiko, Nigeria, Myanmar und viele mehr. 

 

Zusätzlich verstärken globale Krisen wie Corona, die immer stärker zunehmenden Folgen des Klimawandels sowie unkalkulierbare und unberechenbare Naturkatastrophen die Armut in diesen Gebieten. 

 

Die unglaublichen Ungerechtigkeiten auf unserem Planeten gibt es wahrscheinlich seit Anbeginn der Menschheit, doch mit dem langsamen sesshaft werden der Menschen wurde es immer schlimmer. Die Gier nach Besitz und Macht entzweite die Gesellschaft und teilte sie in Herrscher und Untertanen, in selbst ernannte Gottheiten und Diener, in Gutsherren und Sklaven, in Arm und Reich … Das Prinzip ist simpel und altbewährt. Eine Gruppe muss leiden, unterdrückt und gefügig gemacht werden, damit der andere Teil sich bereichern kann. Heute, in einer angeblich zivilisierten Gesellschaft, würde man erwarten, dass es anders vielmehr besser ist, doch die wenigen genannten Beispiele zeigen uns, dass es heute eben sehr ähnlich ist, wie es schon immer war.

 

Auf der einen Seite gibt es den “demokratischen” Westen, in dem auch ich Gott sei Dank beheimatet bin. Die Masse kann hier größtenteils in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben, während selbst die Ärmsten ein Dach über dem Kopf haben, was zu essen bekommen und nicht um ihr Leben fürchten müssen. Aber von insgesamt 194 Ländern der Welt leben nur ungefähr ein Dutzend in Frieden. Während die westliche Welt sich anmaßt, Superreichtum zuzulassen, damit das Vermögen dann von ein paar wenigen verschleudert werden kann, Regierungen und Konzerne aus Profit- und Machtgier benachteiligte Gebiete weiterhin ausbeuten dürfen, um diese dadurch noch tiefer in die Armut zu treiben, die Erde für Gewinnmaximierung mutwillig zerstört werden darf, solange ist der Artikel 1 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nur eine schöne Floskel, die bis heute nicht ansatzweise in die Realität umgesetzt werden konnte.

 

Wann wird die Menschheit endlich erkennen, dass wir bloß diesen einen Planeten haben und einzig und allein durch ein friedliches Zusammenleben mit gelebter Verteilungsgerechtigkeit eine menschenwürdige Zukunft für alle Erdenbürger erschaffen können. Die oftmals angeführte Hürde der Finanzierung, um die Zukunftsvision, in der alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten leben können, umzusetzen, ist dabei das geringste Problem.

 

Es gibt keinen Weg zum Frieden. Der Frieden ist der Weg

Mahatma Gandhi


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Kommentare: 1
  • #1

    Bettina (Dienstag, 31 Mai 2022 14:59)

    Tatsächlich gehen die genannten Kriege mehr oder weniger spurlos an uns vorüber. Wir wiegen uns in Sicherheit, weil die Kriege doch weit genug weg sind von uns. Alle genannten Kriegsgebiete sind zwar vom Namen her bekannt, aber mehr auch schon nicht. Erst jetzt, durch die Ukraine, wird Krieg plötzlich wieder zu einem Schreckgespenst, das in aller Munde ist. Frieden wäre, wie beschrieben, durch die Eliminierung von Gier nach Macht und Profit, durchaus möglich!
    Danke für diesen offenen, sehr zum Nachdenken anregenden Text!