Endziel Pension oder Mut zum Jetzt

Wenn ich nur endlich in Pension gehen könnte! Allzu oft habe ich diese Aussage im Gespräch mit Bekannten, Unbekannten, Freunden, ArbeitskollegInnen und sonstigen Gesprächspartner schon gehört. Aber wieso ist dieser Wunsch für so viele Menschen derart wichtig? Oder handelt es sich nicht um einen Wunsch, sondern viel mehr um einen Vorwand, um eine Flucht aus dem anscheinend doch nicht ganz erfüllenden Arbeitsleben zu rechtfertigen? Doch bevor wir uns diesem „Wunsch“ weiter widmen, betrachten wir zuerst ein paar Fakten.

 

In Österreich gibt es aktuell circa 8,8 Millionen Menschen. Rund 2,7 Millionen davon sind Pensionisten – jene Menschen, die das sogenannte Wunschziel bereits erreicht haben. 4 Millionen sind im arbeitsfähigen Alter und können, dürfen, sollen, müssen das derzeitige Pensionssystem so gut es geht aufrechterhalten. Der Rest, circa 2,1 Millionen, sind Schüler, Studenten, Kinder usw.

 

Rechtlich gesehen ist in Österreich das Pensionsantrittsalter für Männer 65 und für Frauen 60 Jahre - wobei dieses, Schritt für Schritt bis zum Jahr 2033 auf 65 angeglichen wird. Das sagt zumindest die Theorie. In der Praxis werden diese Altersgrenzen eher selten eingehalten. Passend zum politischen Amtsverständnis in Österreich gibt es sicherheitshalber immer ein paar Übergangslösungen, wie zum Beispiel die Korridorpension, die Hacklerregelung oder die Altersteilzeit - damit zumindest ein paar genannt wurden. Das wirkliche Antrittsalter, auch faktisches Pensionsantrittsalter genannt, ist für Männer 61,3 und für Frauen 59,3 Jahre.

 

Zum Schluss des kurzen Faktenchecks gibt es noch eine Übersicht über die letzten Pensionsreformen seit dem Jahr 2000 bzw. den vielen Versuchen der verschiedensten Regierungen irgendetwas am bestehenden System zu ändern. In den folgenden Jahren gab es eine Reform: 2000, 2003, 2004, 2010, 2012, 2017 und 2019. Die Häufigkeit der Reformversuche spiegelt wider, dass dieses Thema sowohl für die Bevölkerung als auch für die Politik nicht ganz unbedeutend ist.

 

Als kritischer Freigeist habe ich über das Thema Pension schon viele Gespräche mit verschiedensten Persönlichkeiten geführt. Stellvertretend für die vielen Gespräche habe ich exemplarisch drei Personen ausgewählt, deren Namen zwar frei erfunden, deren Aussagen dafür aber inhaltlich wahrheitsgetreu wiedergegeben sind.

 

Hans, Arbeiter, 43 Jahre:

 

„Jetzt habe ich nur mehr gut 20 Jahre Zeit, um mein Pensionskonto dementsprechend aufzufüllen. Ich hoffe, dass diese Zeit genügt und ich nicht in der Altersarmutsfalle lande.“

 

Michael, leitender Angestellter, 55 Jahre:

 

„Ich habe kürzlich meinen aktuellen Pensionswert berechnen lassen. Die Höhe der Regelpension ist ganz annehmbar, aber ob ich es wage, bei den aktuellen Abschlagszahlungen früher in Pension zu gehen, ist fraglich. Bei einem vorzeitigen Pensionsantritt müsste ich bei den errechneten Abschlagszahlungen meinen zukünftigen Lebensstandard radikal ändern.“

 

Anette, 33, teilzeitbeschäftigt, Mutter von 2 Kindern:

 

„Nach der Geburt meiner zwei Kinder konnte ich zwar in meinen ursprünglichen Beruf zurückkehren, aber um genügend Zeit für die Kinderbetreuung zu haben, wählte ich eine Teilzeitvariante. Mittlerweile sind meine Kinder aus dem Gröbsten draußen, aber eine Aufstockung auf Vollzeit ist bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage leider nicht möglich. Mir ist durchaus bewusst, dass meine zukünftige Pension durch die geringeren Beitragszahlungen vermutlich nicht sehr groß sein wird, aber solange ich verheiratet bin, sollte ich nicht in der Altersarmutsfalle landen.“

 

Drei völlig unterschiedliche Personen, mit vollkommen unterschiedlichen Charakteren, unterschiedlichen Einkünften und trotzdem haben sie alle drei eines gemeinsam – Angst vor der Altersarmut.

 

Wenn man vom derzeitigen gesetzlichen Pensionsantrittsalter ausgeht, müsste Michael noch 10, Hans 22 und Anette mindestens 32 Jahre arbeiten, um die ersehnte Pension antreten zu können. Egal welchen Zeitraum wir jetzt betrachten, letztendlich sind alle drei Zeitspannen noch sehr weit in der Zukunft und machen eine realistische Einschätzung der Pensionshöhe mehr oder weniger unmöglich. Natürlich gibt es unzählige Prognosen, wie hoch die zukünftige Pension vermutlich sein wird, doch eine seriöse Berechnung kann kein Mensch der Welt mit hundertprozentiger Sicherheit durchführen. Hellseher können zwar die Zukunft deuten, doch wie ernst zu nehmend diese Aussagen sind, ist eine andere Geschichte.

 

Kommen wir zurück zur ursprünglichen Frage: Warum ist dieser Wunsch, Gewissheit für einen Zeitpunkt zu haben, der bei den meisten in weiter Ferne liegt, so wichtig? Warum macht sich Michael, der mindestens noch 10 Jahre arbeiten muss, so viele Gedanke über diese Phase der Zukunft? Warum hat er mehr Angst vor dieser Phase der Zukunft als vor dem nächsten Tag? Michael ist leider kein Einzelfall, sondern repräsentiert konkrete Ängste der breiten Masse der Bevölkerung.

 

Wie schon anfangs im Faktencheck erwähnt, hat es vom Jahr 2000 bis 2019 sieben Pensionsreformen gegeben. Mit jedem weiteren Jahr steigt der Druck auf das bestehende Pensionssystem enorm an und man kann davon ausgehen, dass es in den nächsten 10 Jahren – in unserem Fall für Michael relevant – einige Reformen geben müsste. Die Regierung wird durch die demografische Entwicklung, der sich rasant ändernden Technologien und der Globalisierung langsam aber sicher gezwungen, sinnvolle und nachhaltige Reformen zu entwickeln und umzusetzen. Für jeden Einzelnen von uns heißt das im Umkehrschluss, dass bereits die Entwicklungen der nahen Zukunft nicht wirklich abschätzbar sind. Es wird noch viele verschiedene Regierungskoalitionen geben, der Kampf gegen den Klimawandel wird massiv an Bedeutung gewinnen, die Menschen werden immer älter und damit das Gesundheitssystem vor neue, große Herausforderungen gestellt. Es gibt so viele unbekannte Parameter in einer sich immer schneller verändernden Welt und eine unserer größten Sorge ist, dass unsere Pensionen gesichert sind. Das klingt fast wie ein bekannter Wahlslogan unserer geliebten Parteien … Aber trotzdem beschäftigen wir uns alle lieber mit der unbekannten Zukunft als mit dem Hier und Jetzt.

 

Wir alle wissen nicht wie die Zukunft aussehen, noch was sie genau bringen wird, geschweige ob wir sie überhaupt erleben werden. Unsere Zukunft bleibt ungewiss. Doch wir sollten uns vor dieser Ungewissheit nicht fürchten, sondern sie als großen Vorteil betrachten. Nutzen wir diese Chance um im Hier und Jetzt zu leben, hier und jetzt über unsere Wünsche nachzudenken und hier und jetzt Entscheidungen zu treffen. Wir können unsere Taten im Hier und Jetzt setzen und müssen nicht warten, bis ein anderer unser Schicksal in die Hand nimmt oder wir endlich die Pension erreichen. Halten wir uns immer wieder vor Augen, dass die Pension unser letzter Lebensabschnitt sein wird und es mehr als schade wäre, wenn wir die 65 Jahre bis dahin ungenützt verstreichen lassen würden. Machen wir JETZT Vorsätze und versuchen diese zeitnah in die Realität umzusetzen. Wahrscheinlich werden wir nicht jeden Vorsatz in die Tat umzusetzen können, aber dennoch können wir es versuchen. Jeder Vorsatz verdient eine Chance auf einen Versuch. Verlassen wir die Komfortzone, vertrauen wir auf unsere Begabungen, lassen wir unsere Ängste hinter uns und schreiten mit neuem Mut zur Tat. Hier und Jetzt!

 

 


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